Stadtpfarrkirche Bad Ischl

Dieses Buch hätte ich nicht freiwillig gelesen, hätte es mir nicht Alfons Schweiggert, der Autor selber, nahegelegt. Ich weiß, es ist nicht immer leicht Raum für Rezensionen zu kriegen, überhaupt bei Sachbüchern einer besonderen Nische. Das war vielleicht auch ein Grund und, dass Schweiggert mich schon mit seinen anderen Büchern (z.B. Sisis Wohnwelten) überrascht hat.

Als ich das mehr als 400 Seiten starke Werk in den Händen hielt (uff!) legte ich es zu dem Stapel „Projekt Home Office in Andalusien“.  Immerhin war Kaiserin Elisabeth am 4. Januar 1893 in Begleitung des Kapitäns ihres Kreuzfahrtschiffes inkognito im botanischen Garten von Malaga.

Nach den ersten Seiten – noch im ÖBB-Zug zum Flug – war ich dem Buch verfallen: „Elisabeth und ihr Gott“, das liest sich beinahe wie ein Roman und hat mit „Glaube und Aberglaube im Leben der Kaiserin von Österreich“ nur zum Teil etwas zu tun. Es ist vielmehr die spannende Geschichte einer Frau in außergewöhnlichen Verhältnissen, deren Suche nach Identität („Einsamkeit ist eine starke Nahrung“) jeden Rahmen sprengte und deren große Fluchten zur Sucht wurden. „Man muss sich“, sagte sie einst zu ihrem Vorleser Christomanos, „um mit dem Leben auszukommen, zu einer Insel machen.“ Das hat Sisi, wie ich nach der Lektüre noch besser weiß, im großen Maße gelebt. Und ja, Glaube wie Aberglaube spielten dabei durchaus eine Rolle. So machte sie sich beispielsweise am 11. September 1884 von Bad Ischl aus auf eine Wallfahrt nach Mariazell, um für den harmlosen Ausgang eines schweren Reitunfalls zu danken und versprach weitere kostbare Preziosen zu spenden, wenn sie von ihrem Ischias-Leiden geheilt würde. Auch den darauffolgenden Sommer verbrachte Sisi in Ischl und überraschte ihre Tochter Marie Valerie zum Namenstag mit einem Gebetsstock auf dem Jainzen, ihren Zauberberg.

Die an einem Heiligen Abend Geborene, der Kokain gegen ihre Depressionen intravenös verabreicht wurde, ließ sich ganz abergläubisch als Glücksbringer einen blauen Anker auf die Schulter tätowieren. Milch liebte sie so sehr, dass bei den zahlreichen Reisen auf den Yachten Kühe mitgenommen werden mussten. Schließlich wechselte man aber auf die wesentlich seetüchtigeren Ziegen. Elisabeths Exzentrik kannte wenig Grenzen: Fastenkuren, Kaufräusche, Jähzorn, dreimal täglich kontrollierte sie ihr Gewicht und trug dies auf eine Karte ein. Ihre Eitelkeit war besonders ausgeprägt, deshalb legte sie sich ein Schönheiten-Album mit Fotografien der schönsten weiblichen Gesichter an und beauftragte den österreichischen Außenminister ihr Bilder der schönsten Frauen der Welt zu senden. Selbst ließ sie sich nach ihrem 33. Lebensjahr nicht mehr fotografieren, um jung in die Geschichte eingehen zu können.

Von all dem handelt Alfons Schweiggerts neues Buch, für das er akribisch Wissen, Originalzitate, Tagebucheintragungen, Briefe zusammengetragen hat und ein beinahe lebendiges Bild der Kaiserin entstehen lässt. Für alle Sisi-Liebhaberinnen oder jene, die den Kitsch der Sissy-Filme hinter sich lassen wollen, ist das Buch eine absolute Pflichtlektüre.

Wer vorhat sich die phänomenale Dirndlausstellung im Marmorschlössl des Kaisergartens in Bad Ischl anzusehen (bis 31. 10. 2021), sollte dieses Buch ebenfalls lesen. Er wird Sisis einstiges Refugium mit Blick auf den Zauberberg völlig anders wahrnehmen können.

Buchtipp: Alfons Schweiggert: „Elisabeth und ihr Gott. Glaube und Aberglaube im Leben der Kaiserin von Österreich“, Allitera-Verlag, 416 Seiten, € 28,00