Zucchinis aus dem Garten

Kochbücher kommen jedes Jahr unüberschaubar viele auf den Markt. Manche begeistern ob ihrer Aufmachung, andere ob ihrer kreativen Gerichte. Umso besser, wenn ein Koch den Fokus auf einen neuen Aspekt legt, der Vergangenheit und Gegenwart auf interessant-lukullische Weise verbindet.

In seinem schönen neuen Buch „Alpenkulinarik“ hat Starkoch Roland Essl ein Stück Heimatgeschichte neu erschlossen. „Geschichten und Rezepte der alpenländischen Küche“ heißt es im Untertitel, da steckt viel Ursprung, Überliefertes und jene Reise drin, auf der die Zutaten ihren Weg in die Alpen fanden.

„Fast all unsere Obst- und Gemüsesorten sind nicht alpinen Urspurngs. Durch Eroberungen und Völkerwanderungen brachten fremde Kulturen viele Stammformen dieser Nahrungsmittel in unsere Heimat, ebenso Entdecker, Pilger, Händler und Forscher“, weiß Essl. In den interessanten Geschichten zwischen den Gerichten kann man ihren Spuren folgen.

Die Römer beispielsweise, die am Attersee Villen- und Hafenanlagen bauten, brachten den Karpfen als notgedrungene Alternative zum Meeresfisch in unsere Region. Und als leidenschaftliche Obstesser Kirschen, Pflaumen, Pfirsiche, Birnen und Quitten. In Unterach pflanzten sie einen Wald aus Edelkastanien. Essl hat auch dafür ein feines Rezept (Edelkastanienbrot) parat.

Nachdem ich letzte Woche mit einem sensationellen Karfiol vom Hochbeet zurückkehrte, lese ich in Essls Buch, dass die Venezianer den Cavolfiore etwa um 1500 von Asien nach Italien brachten und er erst nach dem Dreißigjährigen Krieg über die Alpen wanderte. Und schon stehe ich schneidend am Herd und versuche mich an der unaussprechlichen Mulligatawny, jener Suppe, mit der der betrunkene Butler James zum Geburtstagsdinner von Miss Sophie, im Dinner for One durch jeden Sylvesterabend segelt.

Karfiol aus meinem Hochbeet
Karfiol aus dem Hochbeet

Essls Rezepte kommen direkt aus den Stuben unserer Ahnen. Hausmannskost auf Basis jener Gaben, die vorhanden waren. Der Alpenbogen, den er dabei abdeckt, ist weiter gefasst, als man im ersten Moment glauben möchte. Das macht das Buch auch so abwechslungsreich. Vom Waldviertler Karpfen über die steirische Klachelsuppe zu den München Weißwürsten und feinem Carpaccio, dessen Ursprung in der berühmten Harrys Bar in Venedig zu finden ist, ist für jeden etwas dabei.

Manches wurde zu bestimmten Festen kredenzt wie des „Liachtbratl“ am „Liachtbratlmontag“ im Salzkammergut. Diese unumstößliche Tradition rund um Michaeli Anfang Oktober markierte jenen Tag, an dem in den Handwerksbetrieben das „teure“ Licht wieder eingeschaltem worden ist. Essl hat sich bei seinem Rezept allerdings für einen Rehbraten und nicht für das Schwein – wie im Salzkammergut üblich – entschieden.

Auf die als nächstes von mir zum Ausprobieren anvisiereten Schlutzkrapfen mit Blattspinat muss ich leider verzichten: nachdem die Atterseeschwäne bei ihren tagelangen Ausflügen vom See ins Landesinnere sämtliches Fallobst von Litzlberg auf natürliche Art entsorgt haben, sind sie nun dazu übergegangen, fremde Gärten zu plündern. Bei mir haben sie sich im Hochbeet verlustriert: vom Spinat ist nichts übriggeblieben. 

Buchtipp: Roland Essl: Alpenkulinarik. Geschichten und Rezepte der alpenländischen Küche. Pustet Verlag, 320 Seiten, € 32.00

Roland Essl: Alpenkulinarik